Corona-Virus

Anfang April startete das „Sozialschutz-Paket“ der Bundesregierung. Es soll helfen, die „sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie für die Bürgerinnen und Bürger abzufedern“, sowie den Zugang zu sozialer Sicherung zu vereinfachen, so schreibt es das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf ihrer Webseite. Darunter fällt auch die vorübergehende „vereinfachte Beantragung“ von Arbeitslosengeld II (Hartz IV). Dazu zählen die Aussetzung der Vermögensprüfung und die tatsächliche Übernahme der aktuellen Mietkosten. Der vereinfachte Zugang zu Hartz IV soll dann den Lebensunterhalt sichern, wenn keine vorrangigen Hilfen greifen. Vorrangige Hilfen zu diesem Zeitpunkt sind z.B. der Notfall-Kinderzuschlag, wenn Familien ein geringeres Einkommen haben, weil sie in Kurzarbeit sind. Zum „vereinfachten Verfahren“ habe ich bereits hier eine Zusammenfassung dazu geschrieben.

Solo-Selbstständige, wie KünstlerInnen, SchauspielerInnen oder sonstige Freischaffende leiden darunter, dass durch die Corona-Pandemie ihre Aufträge in Teilen oder komplett wegfallen. Nun haben sie die Möglichkeit die Landes-Soforthilfen oder Bundeshilfen zu beantragen. Allerdings gibt es bei der Bundes-Soforthilfe einen Pferdefuß: Hier muss ein Gewerberaum vorgewiesen werden, der oftmals nicht vorhanden ist, weil er auch einfach nicht gebraucht wird. Zauberer, Schauspieler und viele weitere freie Berufe arbeiten oftmals im Home-Office. Da wäre jeder angemieteter Gewerberaum eine zusätzliche unnötige finanzielle Belastung. 

Mich kontaktieren unterschiedlichste Solo-Selbstständige, um mir ihre Erfahrungen mitzuteilen. So höre ich teilweise von hohen bürokratischen Hürden, um an das vereinfachte Arbeitslosengeld II zu gelangen oder das lange Warten auf die Zahlung der Soforthilfe des jeweiligen Bundeslandes. Die Bundesländer setzen hier ihren Föderalismus in vollem Umfang um, so dass nicht von einer einheitlichen Regelung gesprochen werden kann. 

Als unbürokratisches positives Beispiel nenne ich eine Schauspielerin, die in Berlin lebt. Ihr Antrag auf die Soforthilfe wurde innerhalb weniger Stunden bearbeitet und genehmigt und zwei Tage später hatte sie ihre 5.000 Euro auf dem Konto. Ein Anruf beim zuständigen Jobcenter ergab, dass sie vermutlich einen Anspruch auf Hartz IV hat. Parallel wurde festgestellt, dass sie womöglich ebenso einen Anspruch auf das Arbeitslosengeld I hat. Sollte dieses unter dem Satz von Hartz IV fallen, könnte sie ergänzend Arbeitslosengeld II beantragen. Nach dem vereinfachten Arbeitslosengeld-II-Verfahren hätte sie somit einen Anspruch auf vorübergehende volle Mietkostenübernahme sowie dem regulären Regelsatz von 432 Euro einer alleinstehenden Person von rund 1.000 Euro. Summa summarum alles sehr unkompliziert. 

Komplizierter scheint es in Wiesbaden zu sein: Alleinstehend, tätig in einem freien Beruf. Dort wurde zwar auch auf die vereinfachten Formulare hingewiesen, jedoch mussten weitere Bestätigungen, wie eine Wohnbestätigung (Wohnortnachweis) durch die Stadt, Vermieterbescheinigung, Kontoauszüge der letzten 6 Monate, Einkommensnachweise der Bedarfsgemeinschaft, Anlage Vermögen, Kopie Fahrzeugschein, Kopie Nachweis Haftpflichtversicherung, Anmeldebogen Arbeitspaket (Standardwerk der Jobcenter in dem die Ausbildung, beruflicher Werdegang, Kenntnisse, Fähigkeiten u.v.m. einzeln beschrieben werden muss) verlangt. Gleichzeitig wurde ein telefonischer „Kunden“- Termin mitgeschickt. Sollte dieser nicht wahrgenommen werden, so wird die komplette Leistung wegen mangelnder Mitwirkung (Anm. §66 SGB I) eingestellt.

Die vereinfachten Anträge und „Beilagen“ finden sich hier.

Da Hartz IV in sich schon sehr komplex ist, habe ich das Sozialschutz-Paket von Anfang an begleitet und bin heute auf einen Bericht von „tabularasa“ – Zeitung für Gesellschaft & Kultur gestoßen. Im Artikel „Corona – Filmbrancheninfo #29“ liest man einen Erfahrungsbericht von zwei Filmschaffenden und ihrem Versuch Hartz IV zu beantragen (ziemlich weit unten). Zuvor kristallisierte sich heraus, dass sie keinen Anspruch der bayerischen Soforthilfe als auch keinen Anspruch der Bundeshilfe haben, da sie keine Betriebskosten nachweisen können. Für den Antrag reichten sie entsprechend den Vorgaben den Hauptantrag und die Anlage des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit ein. Ihrem Jobcenter genügte das nicht. Sie fragten nach und erhielten die Antwort:

„Jedes Jobcenter können eigenmächtig entscheiden, welche Formulare es zur Beabeitung eines solchen Antrages einfordere.“

Insgesamt mussten die Filmschaffenden sechs unterschiedliche Formulare ein- beziehungsweise nachreichen. Interessant wird es bei der Übernahme der tatsächlichen Mietkosten, die um zwei Drittel schrumpfte, weil die Soforthilfe aus Bayern angerechnet wurde. Diese erhielten die Filmschaffenden jedoch nicht, weil sie ja keine Betriebskosten haben. 

Beide Filmschaffende kritisieren zurecht, dass die Vereinfachung in ihrem Fall keine ist. Es erinnert sie stark an Hartz IV, welches sie aus früheren Zeiten bereits kennen. Sie schlagen vor, dass – analog Baden-Württemberg eine Art vorübergehendes Grundeinkommen zur Deckung der Lebenshaltungskosten von freischaffenden Künstlern einzuführen. 

Baden-Württemberg zahlt Solo-Selbstständigen im Bereich Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft einen nicht rückzahlbaren Zuschuss für drei Monate in Höhe von 9.000 Euro. Gleichzeitig können Solo-Selbstständige pauschalierte Kosten des privaten Lebensunterhalts in Höhe von 1.180 Euro pro Monat beantragen. Dieses hat das Stuttgarter Kunstministerium am 8. April nochmals untermauert. 

Sie konstatieren, dass

„die Grundsicherung nicht wirklich vereinfacht, sondern im Gegenteil alles andere als die der Situation angemessene schnelle Hilfe ist, die wir (wie so viele andere unseres Berufsstandes) gerade dringend benötigen.“

Und sie warnen vor dem Ende der freien Kulturszene, wenn alles kommentarlos hingenommen wird.