Der Bundesrechnungshof hat stichprobenartig in einer erneuten Prüfung die Eingliederungsvereinbarungen zwischen Arbeitslosengeld-II-Leistungsberechtigten und den Jobcentern geprüft. Den Prüfern wurden Daten von registrierten 4,8 Millionen Personen in den Jobcentern durch die Bundesagentur für Arbeit zur Verfügung gestellt. Ausnahmen bildeten Jobcenter, die eigenständig durch die Kommunen betreut werden, so dass knapp 3,4 Millionen Daten verwendet werden konnten. Insgesamt prüften sie 625 Datensätze erwerbsfähiger Leistungsberechtigten in 212 Jobcentern. Das Ergebnis: Fast jede zweite Vereinbarung war ungültig oder fehlerhaft.
Die Eingliederungsvereinbarung ist ein Vertrag, in dem die Vermittlungsbemühungen von Seiten der Erwerbslosen und Jobcenter in einem Gespräch vor Ort bestimmt werden. Eine auf Verdacht geschriebene und per Post versandte Vereinbarung durch das Jobcenter ist verboten. Der Bundesrechnungshof weist hier eine Quote von über zehn Prozent aus. Das Festhalten von Rechten und Pflichten der Erwerbslosen, aber auch der Jobcenter ist gesetzlich festgezurrt. Demnach muss mit jedem Erwerbslosen unverzüglich eine individuelle und passgenaue Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen werden. Hier müssen persönliche Merkmale, berufliche Fähigkeiten und die Eignung hinterlegt werden. Gleichzeitig werden die Leistungen für eine Vermittlung in Arbeit oder in eine Ausbildung durch die Jobcenter erfasst. Parallel dazu werden die Pflichten der Erwerbslosen festgehalten. Das können die Anzahl der Bewerbungen und deren Form sein. Werden Leistungen von anderen Institutionen, wie z.B. eine Schuldnerberatung, in Anspruch genommen, sind auch diese hinterlegt. Das Sozialgesetzbuch II schreibt vor, dass die Vereinbarungen regelmäßig gemeinsam überprüft werden müssen. Bei Änderungen muss der Vertrag entsprechend neu verfasst werden. Damit konkretisiert die Eingliederungsvereinbarung das Prinzip des „Förderns und Forderns“. Auf eine Eingliederungsvereinbarung kann begründet verzichtet werden, wenn der Leistungsberechtigte bereits eine Arbeit aufgenommen hat und nicht zu erwarten ist, dass das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) gesenkt oder beendet werden kann. Eine weitere Gruppe sind Erwerbslose in der dreijährigen Erziehungszeit oder pflegende Angehörige, die die Pflege nicht anderweitig sicherstellen können. Kommt der Vertrag beidseitig nicht zustande, sollen die Rechte und Pflichten einseitig als Verwaltungsakt geregelt werden. In diesem Fall unterschreibt nur das Jobcenter. Im Bericht des Bundesrechnungshofs verweisen die Prüfer erneut auf die Individualisierung und Aktualisierung der Eingliederungsvereinbarung durch die Jobcenter.
Hochgerechnet auf alle 3,4 Millionen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten betraf das über 2 Millionen Eingliederungsvereinbarungen. Die Prüfer kritisierten, dass bisherige Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit ohne Wirkung geblieben sind. In rund 25 Prozent lag kein gültiger Vertrag vor. Bei jedem dritten (35,2%) waren sie inhaltlich fehlerhaft oder waren so unkonkret oder unvollständig, dass nicht erkennbar war, welche Unterstützung durch das Jobcenter geleistet wird: „Dass Jobcenter steht Ihnen beratend zur Seite“, lässt nicht erkennen, welche individuellen Aktivitäten durch das Jobcenter für den Erwerbslosen geleistet wird und läuft am Prinzip des „Förderns“ vorbei, so die Prüfer. In 183 von 443 Fällen fehlten Angaben oder waren unkonkret nach dem Grundsatz des „Forderns“. Als Beispiel schreiben die Prüfer: „Bei Bedarf können Sie sich beim Jobcenter melden“. Ein weiterer Kritikpunkt war die unvollständige Überprüfung der eingehaltenen Pflichten für den Erwerbslosen. Sie machen darauf aufmerksam, dass „die Nachhaltung dieser Pflichten auch wesentlich dafür, einen sanktionsbewehrten Sachverhalt zu erkennen und eine Sanktion durchzusetzen ist.“ Dieses kam in 60 von 443 Fällen vor. Die Art der inhaltlichen Fehler stellt der Bundesrechnungshof in einem Diagramm dar.
Die Prüfungsergebnisse klingen hart. So kommen „massive Zweifel auf, ob die Jobcenter das Instrument der Eingliederungsvereinbarung wirksam einsetzen“. Es entstand der Eindruck, dass die Jobcenter insbesondere Probleme mit dem Ermessen hatten, ob eine Eingliederungsvereinbarung notwendig sei. Der Bundesrechnungshof wirft den Jobcentern vor, dass sie gegen gesetzliche Vorgaben verstoßen, wenn Vereinbarungen nicht vor Ort und persönlich getroffen werden. Damit haben sie keinen Nutzen für Erwerbslose.
„In Anbetracht der seit Jahren bestehenden Umsetzungsdefizite sollte das Bundesministerium das Instrument der Eingliederungsvereinbarung grundsätzlich überdenken“,
heißt es in dem Bericht. Die hohen Fehlerquoten sind nach den Prüfern ein bundesweites Problem und lässt ihres Erachtens auf eine mangelnde Akzeptanz (…) schließen. Die Bundesagentur für Arbeit stellte bereits bei einer Internen Revision Anfang 2014 ebenfalls fehlerhafte Anwendungen der Eingliederungsvereinbarungen in den Jobcentern fest. Bereits damals wurden konkretisierte Weisungen und Hilfestellungen für die Jobcentermitarbeiter in Aussicht gestellt.
„Die von der Bundesagentur in vorherigen Prüfungen zugesagten Maßnahmen zur Verbesserung der Abschlussquote und der Qualität von Eingliederungsvereinbarungen, (…), haben die Mängel bislang nicht verhindert oder verringert“,
so die Prüfer weiter. Deswegen raten sie dem Bundesministerium darüber nachzudenken, „ob die Eingliederungsvereinbarung in der derzeitigen Form das geeignete Instrument ist, die Integration von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten“ ist. Sie schlagen vor, dass die gesetzliche Pflicht einer Vereinbarung zu einer „Kann-Regelung“ umgewandelt wird. So wären zeitliche Kapazitäten für eine intensivere Beratung oder eine Erhöhung der Kontaktdichte möglich. In einer Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit heißt es:
„Vor dem Hintergrund der vom Bundesrechnungshof wiederholt festgestellten hohen Fehlerquote hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit der BA Gespräche aufgenommen, um zu untersuchen, wie die mit der Eingliederungsvereinbarung verbundenen gesetzgeberischen Ziele in der Verwaltungspraxis besser erreicht und bestehende Defizite und Schwierigkeiten abgebaut werden können.“
Der Bundesrechnungshof erwägt die Thematik in einem Bericht an das Parlament weiterzuverfolgen.