Im Jahr 2016 haben die Jobcenter bundesweit 939.133 Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfängerinnen und Empfänger verhängt. Das ergab die heute veröffentlichte Statistik der Sanktionen von Januar 2016 bis Dezember der Bundesagentur für Arbeit. Das waren rund 41.000 weniger als in 2015 (980.115). Drei Viertel der Sanktionen hatten die Jobcenter wegen Meldeversäumnissen ausgesprochen. Die Hamburger Jobcenter kürzten rund 26.300 die Regelleistung.
Die Sanktionen stehen seit Jahren in Kritik. Derzeit liegt eine erneute Beschwerde des Sozialgerichts Gotha beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Wann sich das BVerfG damit befassen wird ist noch offen. Dass die Grundsicherung für Arbeitsuchende ein Leben zu führen, dass der Würde der Menschen entsprechen sollte, wird durch die derzeitige restriktive Sanktionspraxis beschnitten. So führen die Geldkürzungen in ein Geflecht von Existenznot, Ängsten oder nach einer Kann-Bestimmung in Lebensmittelgutscheine. Bereits der viel zu niedrige Regelsatz beschränkt die soziokulturelle Teilhabe. Eine alleinstehende Person erhält derzeit 409 Euro und eine angemessene Miete. Durch Bestrafungen in Form von Sanktionen wird die soziokulturelle Teilhabe nochmals radikal eingegrenzt. Die Bundesagentur für Arbeit, und als verlängerter Arm die Jobcenter, erwarten ein Wohlverhalten der Arbeitslosengeld-II-Leistungsberechtigten. Und meinen damit nichts anderes als die Unterwerfung der Erwerbslosen unter die von den Jobcentern auferlegten Verhaltensrichtlinien. Somit sind Sanktionen ein Erziehungsinstrument und gleichzeitig eine Verhaltenskontrolle. Wer nicht spurt, dem kürzt man das Existenzminimum und damit auch die Grundrechte.
Studien durch (Sozial)-Verbände, Institutionen, realistischen Tatsachenaussagen von Sanktionsbetroffenen und Jobcenter-Mitarbeitern zeigen deutlich auf, dass Sanktionen kontraproduktiv sind. Auch vorhandene Aussagen, dass sich gerade sanktionierte Menschen schneller einen Job suchen würden, ändert nichts an der Tatsache, dass dieses unter Druck und Existenzängsten stattfindet. Berufliche Freiheit sieht anders aus. Jüngst veröffentlichte die Bundestagsfraktion DIE LINKE eine Dokumentation über „Auswirkungen von Sanktionen im SGB II“. Diese wurde durch den Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages erstellt. Katja Kipping schreibt dazu:
„Hartz-IV-Sanktionen nicht nur grundrechtswidrig, sondern auch kontraproduktiv“.
Im Rahmen dieser Dokumentation wurde dabei auf vorhandenen Studien sowie Stichproben zurückgegriffen. Hierbei wurden die finanziellen, sozialen, gesundheitlichen und psychosoziale Auswirkungen sowie Auswirkungen auf Arbeitsbemühungen und des Teilhabeempfindens untersucht. Die finanziellen Folgen durch eine Sanktion führten zu Einsparungen beim Lebensmittelkauf, auf Verzicht von Arztbesuchen und Medikamenten oder auf die Vermeidung von Fahrscheinen öffentlicher Verkehrsmittel. Der Rückzug in die eigenen vier Wände, der Abbau der sozialen Kontakte und der Verlust eines Telefonanschlusses werden unter soziale Auswirkungen benannt. Beschreibungen von Hunger oder mangelhafter Ernährung wie von Seiten Betroffener oftmals beschrieben, finden sich auch in der Dokumentation wieder. Durch Sanktionen werden höhere seelische Probleme als bei Nicht-Sanktionierten hervorgerufen. Geldkürzungen führen zur Verschuldung. So wird die Miete weniger pünktlich bezahlt oder es wird sich Geld bei den Verwandten geliehen. Entstandene Mietrückstände konnten kaum ausgeglichen werden. Auch wenn die Jobcenter eigentlich bei der Lösung des Problems helfen sollten, so wurden diese eher als Verursacher benannt. Als Gründe wurde die repressive Auslegung der „Angemessenheitsgrenze“, systematische Fehler oder Verschleppung von Anträgen benannt. Dadurch waren sie in vielen Fällen für Wohnungskündigungen, erzwungene Umzüge oder Zwangsräumungen verantwortlich. Inwiefern ein kausaler Zusammenhang zwischen Verschuldung und Sanktionen gezogen werden kann bleibt offen. Vielmehr kann es nur statistisch erfasst werden. Wie bereits oben erwähnt, suchen sich zwar Sanktionierte schneller eine Tätigkeit, die jedoch häufig nur kurzfristig war, um ihre aktuelle finanzielle Situation zu verbessern. Dieses tritt verstärkt bei den unter 25-jährigen auf. Offen bleibt auch die Frage, ob Sanktionen eine Exklusion fördern:
„Die Ergebnisse der Untersuchungen legten nahe, dass die entscheidenden Teilhabeverluste bereits beim Übergang in das Arbeitslosengeld II-Bezugssystem bzw. im Zuge eines Verbleibs in diesem System stattfanden.“
Das Fazit, dass Sanktionen i.d.R. nicht in dauerhafte Arbeitsplätze führen, dass Grundrechte beschnitten und ignoriert werden und Menschen legitim in Existenznöte getrieben werden dürfen, bleibt kurz:
Sanktionen gehören abgeschafft – damit ein Existenzminimum ein Existenzminimum bleibt!