Jobcenter schnüffeln gerne mal Erwerbslosen im Internet hinterher. Das ergab u.a. eine Recherche des „Correctiv Netzwerkes“ bereits 2015. Hierbei beriefen sie sich auf ein jährliches Branchentreffen der kommunalen Jobcenter-Chefs in Berlin.

„In einigen Fällen wurden nach der Schnüffelei in sozialen Netzwerken Gelder gestrichen“, so Correctiv.

Die Bundesagentur für Arbeit hat dieses verneint und verbietet eine unkoordinierte Spionage durch die Mitarbeiter. Ich selbst werde immer wieder mit ähnlichen Fällen konfrontiert und weite dieses noch aus. Sind nicht nur soziale Netzwerke betroffen, so gibt es auch Jobcenter-Recherchen auf privaten Webseiten von Erwerbslosen. Gerade hier kommt es dann vor, dass durch die Jobcenter die Vermutung angestellt wird, dass die oder der Betroffene eine selbstständige Tätigkeit ausübe und aufgrund dessen aufgefordert wird einen Nachweis über das Einkommen einer selbstständigen (EKS) Tätigkeit vorzulegen.

Einfach ausgedrückt stellt diese Internetrecherche nichts anderes dar, als dass die Jobcenter ins Blaue hinein Vermutungen aufstellen und Leistungsberechtigte damit konfrontieren. Leider reicht in diesem Moment deren Recherche nicht weit genug und es wird dabei unterstellt ein Einkommen zu erzielen, was womöglich unterschlagen wird. Eine Mauer des Misstrauens und der Verdächtigungen durch die Jobcenter entsteht. Insbesondere dann, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die Webseite ausschließlich eine Eigenwerbung ist, aber damit keine Selbstständigkeit ausgeübt wird. Der schwarze Peter liegt jedoch in diesem Moment bei den „Verdächtigen“, die gegenüber den Jobcentern nun das Gegenteil beweisen müssen.

Dabei gibt es eine klare gesetzliche Rechtsauffassung:

Gezielte Recherchen über Leistungsberechtigte im Internet ohne Einwilligung verstoßen gegen den Ersterhebungsgrundsatz nach § 67 Abs. 2, Satz 1 SGB X. Ausnahmen liegen nur vor, wenn eine Erhebung bei anderen Sozialleistungsträgern, sonstigen öffentlichen / nichtöffentlichen Stellen oder sonstigen Personen unter bestimmten Voraussetzungen nach § 67a Abs. 2, Satz 2 SGB X erfolgt.

Einfach ausgedrückt: Nur, wenn der Betroffene selbst bei der Datenbeschaffung aktiv ist, dürfen Daten erhoben werden. Bei einer Internetrecherche ohne Kenntnis der / des Betroffenen liegt das nicht vor und widerspricht somit dem Ersterhebungsgrundsatz. Aber keine Ausnahme ohne Ausnahme. Oder: Kein Zufall ohne Zufall. So gilt nämlich die Ausnahme beim „Zufallsfund“ im Internet. Und genau dieser „Zufallsfund“ kann anschließend zu weiteren Untersuchungen beim Betroffenen führen. Das Jobcenter würde jetzt eher sagen: „Zur Aufklärung des Sachverhalts“. Nur wann liegt (k)ein Zufallsfund vor? Gibt die oder der Mitarbeiter/In eines Jobcenters gezielt den Namen einer/s „Kunden“ via Suchmaschine im Internet ein, ist dieses kein Zufallsfund, da er ja gezielt nach diesem Namen sucht. Die Suchmaschine spuckt nun alle Informationen zu dieser Person aus. Verwechslungen sind dabei natürlich nicht ausgeschlossen. „Peter Müller“ gibt es nun mal sehr häufig. Ein Zufallsfund wäre dann gegeben, wenn der oder die Jobcenter Mitarbeiter/in eine Lokation für ihr privates Vergnügen sucht und dort zufällig auf eine Webseite stößt, die zu ihrem „Kundenstamm“ passt.

Und genau das hat mein Interesse geweckt, so dass ich die Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI) anschrieb. Wissen wollte ich, wie es sich mit dem Ersterhebungsgrundsatz verhält und wann ein Zufallsfund als dieser nachweislich erfolgt ist, so dass Betroffene geschützt sind und welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, wenn sie „verdächtigt“ werden.

Die Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI) antwortete mir innerhalb weniger Tage indem sie auf die allgemeine Ausführungen im 24. Tätigkeitsbericht der BfDI und dort den Abschnitt Nr. 12.1.3.3 auf Seite 157 verweisen. Dort heißt es zunächst unter der Überschrift: „Dürfen Jobcenter Daten aus sozialen Netzwerken verwenden?“, dass Jobcenter in Internetsuchmaschinen und sozialen Netzwerken nur ausnahmsweise von Recherchen Gebrauch machen sollten. In dem Abschnitt werden die bereits oben genannten Bestimmungen wiederholt und nochmals daraufhin gewiesen, dass ein „pauschaler Abgleich nicht gestattet ist“. Interessant wird es jedoch, wenn die BfDI davon spricht: „Die Abfrage von Daten in Suchmaschinen und sozialen Netzwerken muss aber auch eine geeignete Maßnahme sein. Hier habe ich (Anm. BfDI) erhebliche Zweifel, da Angaben in sozialen Netzwerken aus verschiedenen Gründen häufig nicht der Realität entsprechen. Beispielsweise kann der Nutzer sein Profil lange nicht mehr aktualisiert haben oder er möchte Änderungen seiner Lebensumstände absichtlich nicht einstellen, damit sie anderen Nutzern nicht bekannt werden. Da somit die Authentizität der eingestellten Daten nicht sichergestellt ist, ist auch die Geeignetheit der Erhebung entsprechen der Daten in Frage gestellt“.

Auf meine Frage, welchen rechtlichen Schutz die Betroffenen hätten, erhielt ich als nicht direkt Betroffene (sog. Selbstbetroffenheit) erwartungsgemäß keine Antwort. Aber versuchen kann man es ja trotzdem. Immerhin bieten sie an, sofern Zweifel an einer datenschutzrechtlich zulässigen Vorgehensweise der Jobcenter bestehen, diesen „Einzelfällen“ nachzugehen.

Und somit muss ich leider erneut erwähnen, dass der rechtliche Schutz für die Betroffenen zwar vorhanden ist, aber erst nachdem sie oder er womöglich als Verdächtige bezeichnet wurden. Das ist natürlich nicht zufriedenstellend, da bekanntermaßen die Jobcenter am längeren Hebel sitzen. Die unnötige Belastung und der Beweis bleiben bei den Verdächtigen. Und damit auch mögliche unberechtigte Leistungseinstellungen, da die Jobcenter erst einen Gegenbeweis verlangen. Zu den sozialen Netzwerken stellt sich wirklich die Frage, wozu deren Zugriff überhaupt via Jobcenter oder Arbeitsagenturen nicht über eine Firewall bundesweit und für alle Mitarbeiter gestoppt wird. Das wäre zumindest ein Schritt. Die übereifrige Neugier von Mitarbeitern kann leider nicht über eine Firewall gebremst werden.

Weitere Infos:

Behördlicher Datenschutz Jobcenter– (pdf. Dokument zur Rechtsauffassung zu Internetrecherche der Jobcenter)

Die Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI)

Hartz IV.org „Jobcenter schnüffeln Hartz IV Empfängern im Internet hinterher

Correctiv