Wenn Arbeitslosengeld-II-Leistungsberechtigte als gewaltbereit dargestellt werden sollen und bleiben sollen, wird auch mal gerne eine Pressemitteilung verdreht. So auch durch das Hamburger Abendblatt vom 27. Oktober 2016.

Ergab meine Anfrage zur Anzahl der Gewaltdelikte in den Hamburger Jobcentern einen Rückgang um 17 Prozent, schreibt das Hamburger Abendblatt von einem weiteren hohen Niveau. Auch lässt sich feststellen, dass zwischen einer deeskalierenden Kommunikation und Sicherheitstraining nicht unterschieden wird. Und gerade hier hängt es. Sicherheitstraining assoziiert eine Verteidigung gegenüber einem Menschen. Deeskalierende Kommunikation ist nichts anderes, dass jemand bereit ist, sich auf sein Gegenüber sachlich einzulassen. Eine Verteidigung soll damit vermieden werden.

Das Abendblatt zitiert so: . „Jede Gewalttat, unabhängig von welcher Schreibtischseite sie ausgeht, ist abzulehnen“, sagte Hannemann und forderte, dass die Jobcenter verpflichtende Sicherheitstrainings für Mitarbeiter zur Deeskalation einführen sollten.“

Im Original heißt es jedoch so: „Jede Gewalttat, unabhängig von welcher Schreibtischseite sie ausgeht, ist abzulehnen“, erklärt dazu Inge Hannemann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion. „Eine sicher angewandte deeskalierende Kommunikation ist ein wichtiger Bestandteil in der Beratung. Dass das Interesse an einer deeskalierenden Gesprächsführung oder an Grundlagen der Kommunikation dermaßen gering ist, erschreckt mich. Hier sollte Jobcenter t.a.h. nachsteuern und diese Seminare für alle Mitarbeiter_innen zur Pflicht machen.“

Deutlich kritisiere ich, dass das Interesse an Schulungen deeskalierender und Grundlagen einer Kommunikation innerhalb der Jobcenter kaum besteht und hier dringend nachgesteuert werden muss. Von Verteidigung nicht die Rede. Allerdings werden genau diese Sicherheits-Schulungen überdurchschnittlich besucht.

Ist die Meldung im Abendblatt kurz und bündig vermittelt sie erneut, dass Erwerbslose per se zur Gewalt neigen und die Mitarbeiter_innen lernen sollen sich partout zu verteidigen. Das ist nichts anderes als eine weitere Kriminalisierung von Erwerbslosen. Und das ist genauso abzulehnen, wie Gewalt.

Hamburger Abendblatt:

„Gewalt: 622 Übergriffe auf Mitarbeiter in Jobcentern“

„Die Zahl der Übergriffe in Jobcentern ist weiter auf einem hohen Niveau. Im vergangenen Jahr sind 622 Taten gezählt worden. Beim Gros der Taten handelt es sich um Beschimpfungen und Beleidigungen. Hier sind allein 408 Delikte registriert worden. Das geht aus einer Senatsantwort auf eine Anfrage von Inge Hannemann, der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der Linksfraktion, hervor. Rund 200 Bedrohungen sind darüber hinaus gezählt worden, die Zahl der körperlichen Übergriffe wird mit sieben angegeben. Die Zahl der Übergriffe schwankt sehr stark im Jahresvergleich. Der Höchststand wurde 2007 mit 927 registrierten Taten erreicht. „Jede Gewalttat, unabhängig von welcher Schreibtischseite sie ausgeht, ist abzulehnen“, sagte Hannemann und forderte, dass die Jobcenter verpflichtende Sicherheitstrainings für Mitarbeiter zur Deeskalation einführen sollten.“

Original Pressemitteilung Linksfraktion Hamburg:

„Weniger Gewaltdelikte in den Hamburger Jobcentern

Die Gewaltdelikte gegenüber Mitarbeiter_innen des Jobcenter t.a.h. sind in den letzten fünf Jahren um 17 Prozent zurückgegangen. Das ergibt eine Anfrage der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft (Drs. 21/6215). Noch im Sommer war in Medien dagegen von zunehmender Gewalt berichtet worden. Der Senatsantwort zufolge gab es 2011 noch 750 Übergriffe, wobei Beschimpfungen und Beleidigungen über die Hälfte ausmachten. 2015 lag diese Zahl bei 622. Rund zwei Drittel der Fälle waren Beschimpfungen oder Beleidigungen, in einem Fall wurde körperliche Gewalt gegen Mitarbeiter_innen angewandt.

„Jede Gewalttat, unabhängig von welcher Schreibtischseite sie ausgeht, ist abzulehnen“, erklärt dazu Inge Hannemann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion. „Eine sicher angewandte deeskalierende Kommunikation ist ein wichtiger Bestandteil in der Beratung. Dass das Interesse an einer deeskalierenden Gesprächsführung oder an Grundlagen der Kommunikation dermaßen gering ist, erschreckt mich. Hier sollte Jobcenter t.a.h. nachsteuern und diese Seminare für alle Mitarbeiter_innen zur Pflicht machen.“

Der Senatsantwort zufolge besteht zwar großes Interesse am Sicherheitstraining, an dem seit 2013 rund 500 Mitarbeiter_innen teilgenommen haben. Am Training für „Deeskalierende Gesprächsführung“ hatten in den Jahren 2010 bis 2014 aber nur rund 290 Mitarbeiter_innen teilgenommen. Seit 2015 scheint es daran gar kein Interesse mehr zu geben.

Weiter gibt der Senat an, dass er seit 2008 179 Gewalttaten zur Anzeige gebracht hat. Umgekehrt wurden seit 2011 durch ALG-II-Leistungsberechtigte elf Anzeigen gegen Mitarbeiter_innen in den Jobcentern wegen Beleidigung bzw. Nötigung gestellt. „Mangels hinreichendem Tatverdacht“ wurden laut Senat alle eingestellt.“