Rechnungshof geißelt Bundesagentur für Arbeit“ titelte die Süddeutsche im Herbst vor zwei Jahren. Darin berichtete die SZ über einen Bundesrechnungshofbericht aus dem Jahr 2015, in dem die Lohnkostenzuschüsse an Zeitarbeitsfirmen kritisiert werden. Um was ging es genau?

Die SZ schrieb:

„Auch Zeitarbeitsunternehmen, die bei ihnen angestellte Mitarbeiter als Leiharbeiter an andere Firmen verleihen, können die Zuschüsse (Anm. Eingliederungszuschüsse) bekommen. Der Bundesrechnungshof hält davon allerdings nichts. Zeitarbeitsfirmen werden durch diese Eingliederungszuschüsse „ungerechtfertigt begünstigt“, heißt es in einem internen Prüfungsbericht des Bundesrechnungshofs, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt.“

Eingliederungszuschüsse als Lohnzuschüsse sind kein neues Instrument und sollen Arbeitgeber dazu ermuntern Erwerbslose mit finanzieller Unterstützung vorrangig einzustellen. Eigentlich keine schlechte Sache. Bei den Zeitarbeitsfirmen soll der Zuschuss die sog. „Minderleistung“ zwischen der geförderten Person und einem durchschnittlichen Arbeitnehmer ausgleichen, so die Richtlinien der Bundesagentur für Arbeit. Allerdings habe der BRH den Eindruck gewonnen, dass Leiharbeitsfirmen den Zuschuss teilweise „in ihre Unternehmensstrategie eingebettet haben“. Das Bundesarbeitsministerium hat sich zum damaligen Zeitpunkt nicht geäußert, da es „noch kein abschließendes Prüfungsergebnis sei und deshalb könne man noch keine Folgerungen daraus ziehen“. Diese abschließende Prüfungsmitteilung, unter Berücksichtigung der Stellungnahmen des Bundesarbeitsministeriums und der Bundesagentur für Arbeit, liegt nun vor.

Der Bundesrechnungshof hält die gesetzlichen Voraussetzungen weiterhin für nicht gegeben, dass die Zuschüsse an „Zeitarbeitsunternehmen für Leiharbeitsverhältnisse mangels einer Minderleistung, die sich unmittelbar beim Zeitarbeitsunternehmen auswirkt“ ausbezahlt werden. So werden „Zeitarbeitsunternehmen durch EGZ (Anm. Eingliederungszuschuss) gegenüber anderen Unternehmen ungerechtfertigt begünstigt; sie erhalten Fördergelder, ohne hierfür einen entsprechenden Aufwand zu leisten“, argumentieren die Prüfer weiter. Zukünftig fordern sie die Förderung bei Leiharbeitsverhältnissen in den Arbeitsagenturen und Jobcentern einzustellen. Außerdem entkräfteten die Stellungnahmen des Bundesministeriums und der Bundesagentur für Arbeit nicht ihre Bedenken. Stattdessen erwarten sie in jedem Einzelfall einen Nachweis für die konkreten finanziellen Nachteile bzw. Einarbeitungsaufwand für die Zeitarbeitsfirmen, welchen den Zuschuss berechtigt. In ihren Augen müsse eine strenge Nachweispflicht für den Verleihbetrieb, welche Einarbeitungsleistungen der Verleiher bringt, bestehen. Dies haben die Jobcenter und Arbeitsagenturen sorgfältig zu prüfen.

Die Bundesagentur für Arbeit stimmt der Auffassung des BRH zu, „dass ein Eingliederungszuschuss als finanzieller Nachteilsausgleich nur an Arbeitgeber gezahlt werden kann, bei denen sich die Minderleistung tatsächlich auswirkt.“ Einfach gesagt: Wird festgestellt, dass ein (Fach)-Wissen beim Einsatzort fehlt, wäre der Zuschuss an den Arbeitgeber zu zahlen, aber nicht an das Zeitarbeitsunternehmen. So weit, so gut. Dass eine sog. Minderleistung nur beim zukünftigen Betrieb der Arbeitnehmer auftritt, wie ausgehend vom BRH, teilt die Nürnberger Behörde nicht. Sie vertreten vielmehr die Ansicht, dass auch bei den Zeitarbeitsunternehmen ein erheblicher finanzieller Nachteil entstehe. Dieses sei gegeben, wenn die Leiharbeitsfirma selbst die Kosten für die Qualifizierung des Leihpersonals übernehme, sie sich in besonderem Maße an der Einarbeitung im Entleihunternehmen beteilige oder die Arbeitnehmer durch das Personal des Verleihers begleitet und intensiv unterstützt werde. Somit kann die derzeitige Praxis in den Jobcentern und Arbeitsagenturen nicht pauschal als rechtswidrig bewertet werden. Nürnberg geht davon aus, dass durch „etliche Jahren arbeitslos und beruflich entsozialisiert von einer Minderleistung ausgegangen werden kann“. Trotzdem möchte die Bundesagentur für Arbeit die Geschäftsanweisung neu überarbeiten. Für Nürnberg gilt, dass Zeitarbeitsunternehmen genauso zu behandeln seien, wie die übrigen Arbeitgeber. Neben dem allgemeinen Fragebogen zu den Fördervoraussetzungen für Zuschüsse bräuchte kein zusätzlicher Nachweis über den finanziellen Nachteil verlangt werden (Hinweis: Der Fragebogen enthält keine Bezifferung der Kosten für die Einarbeitung oder ähnlichem. Ein simpler Satz, dass eingearbeitet werde, reicht aktuell aus). Zunächst sollen Erfahrungen über die Arbeitsagenturen und Jobcenter gesammelt werden. Schließlich sei eine Einsichtnahme in die Vertragsunterlagen der Verleihkonditionen möglich, wenn es im Einzelfall erforderlich sei.

Das Bundesministerium teilte mit, dass es sichergestellt sein solle, dass eine Förderung nur dann möglich sei, wenn die Zeitarbeitsunternehmen darlegen, welchen finanziellen Nachteil sie tatsächlich haben oder welchen Anteil sie an der Einarbeitung mitbringen. Pauschal sollen die Zuschüsse jedoch nicht eingestellt werden. Weiterhin stellen sie fest, dass der Betrieb, der das Leihpersonal einstellt, kein Lohn bezahle und aus diesem Grund nur der Verleihbetrieb einen Anspruch auf Zuschüsse hätte.

Glücklich scheint der Bundesrechnungshof mit den Stellungnahmen des Bundesministeriums und der Bundesagentur nicht zu sein. So schreiben sie, dass es „vielmehr darauf hindeute, dass die bewilligenden Jobcenter die Frage, bei wem sich der finanzielle Nachteil tatsächlich auswirkt, gar nicht gestellt haben“. Sie kritisieren, dass sich die Bundesagentur nicht dazu äußere, wie sie im Einzelfall Kenntnis darüber erlangt haben will, dass Zeitarbeitsunternehmen den Betrieben (Entleihern) einen niedrigen Lohn einräumten, die den Lohnzuschuss rechtfertigen. Sie erwarten, dass der finanzielle Nachteil entsprechend beziffert und nachgewiesen werden muss. Verleihverträge müssen dazu vorgelegt und geprüft werden.

„Wenn EGZ-Anträge nur wenige Minuten vor Arbeitsaufnahme eingereicht werden, dürfte es sich in vielen dieser Fällen um sog. Mitnahmeeffekte handeln, die wir besonders kritisch sehen“, so der BRH weiter.

In einer diesjährigen Telefonkonferenz der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit und den Regionaldirektionen heißt es:

„Die Auffassung des BRH, dass der finanzielle Nachteil in jedem Einzelfall konkret zu beziffern und durch Unterlagen nachzuweisen ist, wird nicht geteilt. (…) Grundsätzlich kann den Erklärungen der Arbeitgeber vertraut werden, soweit diese plausibel dargelegt wurden. Nur bei berechtigten Zweifeln ist der Sachverhalt differenzierter zu ermitteln. Die Forderung von Nachweisen und Offenlegung sensibler Geschäftsdaten in jedem Einzelfall widersprechen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und bedeuten eine unzumutbare bürokratische Hürde. Das (…) Verwaltungsverfahren wird deshalb unverändert beibehalten.“

Fazit: Der sehr ausführliche Bericht des BRH und die doch kurzen Stellungnahmen machen deutlich, dass sich die Bundesagentur für Arbeit als auch das Bundesarbeitsministerium einen Dreck darum scheren, was der BRH kritisiert und wo die deutliche Schieflage hängt. Unverkennbar erhalten die BA als auch das Bundesministerium mit ihren Lohnzuschüssen das Drehkarussell und die Ausbeutung durch die Leiharbeit am Leben. Der Vorwand des bürokratischen Aufwandes ist lächerlich und entlarvend, wenn man bedenkt, welchen Aufwand die Jobcenter mit der Schnüffelei bei Arbeitslosengeld-II-Leistungsberechtigten betreiben. Der rote Teppich wird den Leiharbeitsfirmen ausgerollt und keine Huldigung ist scheinbar zu groß. Dass Fördergelder beim Hire-and-Fire-System in der Zeitarbeitsbranche vielfach zum Fenster verschleudert werden ist gewollt und bringt eine ständige annehmbare Vermittlungsquote sowie billiges Arbeitsmaterial. Der Satz „etliche Jahren arbeitslos und beruflich entsozialisiert von einer Minderleistung ausgegangen werden kann“ durch die Bundesagentur für Arbeit bescheinigt mal so eben Erwerbslosen eine Minderleistung, weil sie „arbeitslos“ sind. Jedem dürfte bekannt sein, dass auch Vermittlungen von neu Erwerbslosen in die Zeitarbeit ein lukratives Geschäft sind. Erneut zeigt sich die menschenverachtende Einstellung gegenüber Erwerbslosen durch die Nürnberger Behörde.

Weitere Infos:

„Linke kritisiert Zunahme der Leiharbeit“ – Handelsblatt v. 10. August 2017

„Aktuelle Entwicklungen der Zeitarbeit“ – Bundesagentur für Arbeit – Juli 2017

„Ungerechtfertigte Eingliederungszuschüsse bei Zeitarbeitsfirmen?“ – Kleine Anfrage und Antworten des Senats – Inge Hannemann – Juni 2016