Bild: WSI

 

Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung hat eine neue Studie zu atypischer Beschäftigung veröffentlicht. Hierbei berücksichtigten sie die differenzierteren bundesweiten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit und stellen fest, dass die ermittelten Anteile höher sind als die des Statistischen Bundesamtes. Auch wenn sich der Arbeitsmarkt 2016 positiv entwickelt hat und die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Vollzeit gestiegen sind, gab es eine weitere Zunahme bei Teilzeit und in der Leiharbeit. Die Zahl der Minijobs geht leicht zurück, so WSI weiter. Rund jede dritte Arbeitsstelle war in 2015 eine Teilzeitstelle, Leiharbeit oder ein Minijob. Damit hat die atypische Beschäftigung den höchsten Stand seit 13 Jahren erreicht. Insbesondere ist die atypische Beschäftigung im Westen ausgeprägt. Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen führen das Ranking mit jeweils über 40 Prozent an. In den Städten Delmenhorst (Niedersachsen) oder Neustadt an der Weinstraße (Rheinland-Pfalz) ist sogar jeder zweite von atypischer Beschäftigung betroffen. Den niedrigsten Anteil auf Länderebene finden sich in Thüringen (36 Prozent) und bei den Städten in Wolfsburg (23 Prozent).

Jeder fünfte Arbeitsplatz ist ein Teilzeitarbeitsplatz

Laut WSI beträgt der größte Anteil am atypischen Arbeitsmarkt die Teilzeitarbeit (22 Prozent). Auch wenn nicht jede Teilzeittätigkeit prekär sei, so ist es häufig eine Notlösung und entspricht nicht den Wünschen der Beschäftigten, ergänzt WSI. Allerdings stellt die Studie fest, dass Stundenlöhne in diesem Arbeitsmodell unter der Niedriglohngrenze von 9,75 Euro brutto bei jedem dritten Arbeitsplatz weit verbreitet seien. Bei den Vollzeit-Beschäftigten sind es im Vergleich etwa 11 Prozent. Der Minijob ist bei jedem siebten ein Hauptverdienst und rund drei Viertel der Beschäftigten arbeiten hier im Niedriglohnsektor.

Leiharbeit bleibt ein hire-and-fire-Karussell

Auch wenn die Leiharbeitsbranche häufig damit argumentiert, dass ihre Löhne gering im Niedriglohnbereich liegen, so zeigt diese Studie andere Zahlen auf. Demnach sind 46 Prozent, und damit fast jeder zweite, vom Niedriglohn betroffen. Die scheinbar niedrige Beschäftigungsquote von knapp drei Prozent am Gesamtanteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer klingt blumig, solange man nicht die hohe Fluktuation berücksichtigt. Die aktuelle Entwicklung in der Zeitarbeit durch die Bundesagentur für Arbeit spricht davon, dass im ersten Halbjahr 2016 678.000 neue Beschäftigungsverhältnisse abgeschlossen wurden. Gleichzeitig jedoch 616.000 beendet. Ebenfalls zeigt der Bericht der BA auf, dass 42 Prozent unter 9 Monate beschäftigt sind. Nur jeder dritte bleibt länger als 18 Monate in der Leiharbeit tätig.

Dazu Inge Hannemann:

„Wir haben eine stetige Zunahme von Arbeitsverhältnissen erster, zweiter und dritter Klasse. Von guter Arbeit sind wir meilenweit entfernt. Ein prekärer Arbeitsmarkt führt zur Spaltung einer Gesellschaft und grenzt Menschen innerhalb eines Betriebes aus. Leiden Beschäftigte einerseits unter Dauerstress, wird Arbeitsuchenden oder Teilzeitkräften der Arbeitsmarkt teilweise verwehrt. Das ist ein Ungleichverhältnis, welches auf Dauer den sozialen Frieden gefährdet. Statt die hohe Flexibilität und unsichere Lebensplanung, insbesondere in der Leiharbeit, adäquat zu be- und entlohnen, werden die Betroffenen häufig mit einem Niedriglohn doppelt bestraft. Dem muss ein Stopp gesetzt werden. Hierzu muss Equal-Pay ab dem ersten Tag gelten sowie über einen Flexibilitätszuschlag diskutiert werden. Alles andere bleibt Ausbeutung auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“