„Weniger Geld für Flüchtlinge und Langzeitarbeitslose“, titelte das Hamburger Abendblatt am 13. März. Der Teaser setzt fort: „Bildungsträger in Hamburg sind in Sorge: Der Bund kürzt Zuwendungen, Entlassungen drohen. Auch Langzeitarbeitslose betroffen.“
Die Eingliederungsmittel und damit das Geld, was den Jobcentern und Arbeitsagenturen jährlich für die Eingliederung und Qualifikation von Erwerbslosen zur Verfügung steht ist in regelmäßigen Abständen ein Streitthema. Die Jobcenter bemängeln den zu kleinen Topf an Zuwendungen durch den Bund, der Bund denkt an seine schwarze Null und die Erwerbslosen müssen um jeden Bildungsgutschein kämpfen. Tatsächlich sind die Ausgaben der Eingliederungsleistungen seit 2010 um mehr als die Hälfte gesunken. Lagen diese bundesweit in 2010 noch bei 7 Milliarden Euro, so betrugen sie in 2015 nur noch 2,9 Milliarden Euro. Das zumindest schreibt „sozialpolitik-aktuell.de“ in „Ausgaben für Leistungen nach dem SGB II 2010-2015“. Die Bundesagentur für Arbeit schreibt in der Planung für das Geschäftsjahr 2017, dass das Handlungsfeld „Langzeitleistungsbezieher / Langzeitarbeitslose aktivieren, qualifizieren und Integrationschancen erhöhen“ die drängendste Herausforderung in der Grundsicherung sei. Ein sich jährlich wiederholendes Mantra.
Ähnlich schreibt es die Hamburger Sozialbehörde in ihrem gemeinsamen Arbeitsmarktprogramm zwischen ihrer selbst, Agentur für Arbeit Hamburg und Jobcenter team.arbeit.hamburg. Hier heißt es zusammengefasst, dass die Sicherung des Fachkräftebedarfs, die Reduzierung von Langzeiterwerbslosigkeit, junge Menschen in Ausbildung, Studium und Arbeit zu bringen sowie die Qualifizierung von Arbeitsuchenden mit dem Bedarf an Qualifizierungen verknüpft seien. Schauen wir uns das für Hamburg mal näher an.
In einer Senats Antwort aus einer Schriftlichen Kleinen Anfrage (Drs. 21/7542) ist herauszulesen, dass das Eingliederungsbudget im Jahr 2013 bei rund 96,5 Millionen Euro lag. Sank es in 2014 um 4 Millionen, war es in 2015 erneut auf dem Stand von 2013. Eine Aufstockung gab es, auch aufgrund der Anzahl Geflüchteter, in 2016 auf 111,5 Millionen Euro. Die schlussendliche Reduzierung der tatsächlichen vorhandenen Mittel durch die teilweise Umschichtung der Gelder in die Verwaltung ist hier nicht einberechnet. In einer weiteren Anfrage (Drs. 21/8031) wird durch Jobcenter t.a.h. für 2017 ein Bedarf von 119,5 Millionen Euro geschätzt. Laut Hamburger Abendblatt wurden die Bundesmittel gekürzt, weil weniger Geflüchtete gekommen seien als geplant und es damit insgesamt weniger zu fördernde Personen gebe. Dieses scheint sich insbesondere bei den Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheinen für Kurse bis zu zwölf Monaten auszuwirken. Statt 6.000 können nur noch 2.400 ausgegeben werden. Weiter ergänzt Jobcenter t.a.h., dass bei vielen anderen Maßnahmen wie den Ein-Euro-Jobs oder der abschlussorientierten Weiterbildung es keine Kürzungen gebe.
Gebundene Mittel fressen freie Förderung auf
Nun sind die geschätzten oder die tatsächlich vorhandenen Gelder so eine Sache. Nicht alles was sich im Topf befindet, kann individuell ausgegeben werden. Gerade Bildungsgutscheine, Umschulungen, Reisekosten zum Vorstellungsgespräch sind Leistungen bzw. freie Förderungen, die sozusagen wirtschaftlich (Bundesagentur für Arbeit) eingesetzt werden müssen. Und nicht selten kommt es vor, dass diese Gelder so individuell und nach persönlichen Kriterien verteilt werden, wie es Mitarbeiter in den Jobcentern gibt. Viel einfacher sind dann doch die Zuweisungen in Trainingsmaßnahmen oder Ein-Euro-Jobs, die zuvor fest eingekauft wurden und deren Plätze somit zwingend besetzt werden müssen. Gemeint ist damit das Maximalprinzip (mit gegebenen Mitteln einen möglichst hohen Ertrag erzielen).
Und damit bin ich erneut bei der Anfrage (Drs. 21/8031) an den Senat, in der genau diese gebundenen Mittel abgefragt wurden. Und der Senat antwortet, dass im Februar 2017 Haushaltsmittel in Höhe von insgesamt rund 91,3 Millionen Euro für Eingliederungsleistungen gebunden seien. Das heißt sowohl ausgezahlt als auch für künftige Auszahlungen vorgemerkt und entspricht drei Viertel des gesamten geschätzten Bedarfes für 2017. Somit bleiben von den geschätzten 119,5 Millionen Euro für freie Förderung gerade mal noch 28,2 Millionen Euro übrig. Und auch hier die möglichen kommenden Umschichtungen in den Verwaltungstopf nicht einberechnet, die den Eingliederungstopf erneut schmälern.
Kommen wir zum Kern des Ganzen: Die festgebundenen Mittel für Maßnahmen, die eher dazu geeignet sind, Erwerbslose aus der Arbeitslosenstatistik herauszurechnen, als tatsächlich erfolgreich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Arbeitgeber schieben Bescheinigungen von Trainingsmaßnahmen oder Ein-Euro-Jobs zur Seite. Sie fordern anerkannte Abschlüsse oder ein tatsächliches Upgraden der bisherigen Ausbildungen. Nun kann man natürlich damit argumentieren, dass jeder Ein-Euro-Job dazu dient, Menschen mit „multiplen Vermittlungshemmnissen“ an den Arbeitsmarkt heranzuführen. Auch richtig. Allerdings fehlt mir bis heute der kausale Zusammenhang zwischen Ein-Euro-Jobs, wiederholten Bewerbungstraining oder sonstigen Trainingsmaßnahmen und der Anzahl Bedarfsgemeinschaften. Diese nämlich stagnieren in Hamburg seit Jahren bei rund 180.000+. Laut Bundesagentur für Arbeit sind fast die Hälfte davon vier Jahre und länger im Arbeitslosengeld-II-Bezug. In meinen Augen besteht bis heute ein Missverhältnis zwischen sinnvollen Qualifizierungen, Trainingsmaßnahmen oder Ein-Euro-Jobs und der damit gebundenen Mittel. Statt Ein-Euro-Jobs sollte der sozialversicherungspflichtige öffentlich geförderte Beschäftigungssektor entsprechend gefördert und ausgebaut werden. Das wäre zumindest eine Maßnahme. Dass der Eingliederungstopf erhöht werden muss, erklärt sich von selbst. Schließlich sinkt meine Miete auch nicht, wenn ich weniger in der Wohnung bin. Die Wohnfläche bleibt gleich. Eine weitere Maßnahme wäre die Diskussion um die hohe (notwendige?) Anzahl von Beschäftigungs- und Bildungsträgern und deren signifikanten Anstieg seit Beginn der Agenda 2010.
Weitere hilfreiche Informationen finden sich auch unter:
Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ)
Aktuelle Sozialpolitik (Prof. Dr. Stefan Sell)