Nach dem Sozialgesetzbuch II (Hartz IV) können Selbstständige, die mit ihrer Selbstständigkeit eine hauptberufliche Tätigkeit ausüben, entsprechend gefördert werden. Ein Kriterium der genehmigten Selbstständigkeit durch die Jobcenter ist u.a. die sog. Tragfähigkeitsprüfung. In der Regel erfolgt die Anerkennung der Tragfähigkeitsprüfung zuvor durch Bildungsträger im Rahmen eines Existenzgründerseminars oder durch die Bank bzw. einer Handels- oder Handwerkskammer.
Die vorliegende Stellungnahme wurde im Rahmen eines Klageverfahrens in einem Jobcenter hinterlegt. Die Grundlage war die Prüfung, ob die Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt, der Vertrag zwischen einem Jobcenter und Arbeitslosengeld-II-Leistungsberechtigte, rechtlich einwandfrei ist. Aus der Stellungnahme ist ersichtlich, dass sich der Leistungsberechtigte, neben der Selbstständigkeit, parallel auf sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten zu bewerben hatte, um seine Hilfebedürftigkeit zu verringern bzw. zu beenden. Unter dem Credo, dass die Pflicht besteht das Arbeitslosengeld II auf jegliche Art und Weise zu verringern oder zu beenden, stellt dieser Fall keine Ausnahme dar und ist legitim. Aber das ist ein anderes Thema.
Viel interessanter ist die Bezeichnung des Klägers als „Pedant“. Als Pedant wird jemand bezeichnet, der sich kleinlich verhält und hat zumeist einen negativen Anstrich. Im Brockhaus wird damit ein Mensch bezeichnet, der mit peinlicher Genauigkeit an äußerlichen, unwesentlichen Dingen hängt. Der Pedantismus wird hier als ängstliches Hängen an steifen Formen und beschränkten Ansichten beschrieben. Im Diagnoseschlüssel der ICD-Klassifikation zur Eingruppierung von Krankheiten zählt die Pedanterie aus heutiger psychologischer Sicht zu den zwanghaften Persönlichkeitsstörungen (ICD-10, F60.5). Und zu allerletzt schlägt der Duden als Synonyme u.a. Pingeligkeit, Erbsenzählerei, Kleinkariertheit und Korinthenkackerei vor.
Stellungnahme Verwaltungsakt JC – Seite 1
Um was geht es mir? Mal losgelöst vom Inhalt der Stellungnahme bin ich über die interne Bezeichnung „Pedant“ gestolpert. Insbesondere mit dem Hintergrund des Wissens, das Pedanterie bzw. Pedant zumeist negativ besetzt ist. Und ich frage mich, mit welchem Recht eine Stellungnahme Menschen bewertet. Grundsätzlich vertrete ich die Meinung, dass Behörden, Gerichte, Kliniken oder sonstige staatliche Einrichtungen nach Außen neutral zu sein haben. Dass interne Bewertungen innerhalb der Jobcenter keine Seltenheit sind, kann ich aus eigenen Erfahrungen bestätigen. Zur „Berühmtheit“ hat der interne Begriff „Querulant – Q“ geführt, der gerne mal bei Erwerbslosen verwendet wird, die sich rechtlich wehren oder mehr Fachkenntnisse besitzen wie die Jobcenter selbst. Die häufig vorgefundene Selbstverständlichkeit, dass Menschen durch Dritte bewertet werden, ohne sie tatsächlich persönlich näher zu kennen, ist eine Unart, die immer wieder gerade in den Jobcentern anzufinden ist. Häufig, so meine Erfahrungen, werden subjektive Ansichten der Jobcenter-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in internen Vermerken sichtbar. Vorhandene Tagesform der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können durchaus dazu führen, dass Bewertungen zum Negativen der Leistungsberechtigten führen. Simpel ausgedrückt: Passt mir die Nase des Gegenübers oder eben nicht.
Die Sprache, auch die schriftliche Form, ist ein Instrument um Denkweisen auszudrücken. Sie ist ein entscheidender Faktor, um Meinungen gegenüber Dritten anzudeuten und entsprechend zu beeinflussen. Eine Personenreferenzierung kann somit durchaus ein Gewicht der Wahrnehmung auf Dritte haben. Dazu zählt auch in meinen Augen der Begriff des „Pedant“, der wie oben erwähnt, oftmals einen negativen Touch hat. Somit kann der SchreiberIn demonstrieren, welche persönlichen Ansichten über KlägerInnen bestehen. An einen Zufall denke ich dabei nicht.
Welche Alternativen gibt es? Ein häufig verwendeter Begriff ist „Klägerin“ oder „Kläger“. Der interne Sprachgebrauch des „Kunden“ in den Jobcentern ist ebenfalls häufig anzutreffen. Wobei das Wort „Kunde“ schon eine Farce ist. Aber auch das ist ein anderes Thema. Häufig und vielleicht das Neutralste wäre die Bezeichnung „Frau X“ oder „Herr X“.
Fazit: Stellungnahmen, wie diese, sind nicht von persönlichen Ansichten frei. Sie vermitteln indirekt eine Botschaft, die so nicht sein darf. Jobcenter haben neutral zu sein, um negative Einflüsse gegenüber Dritten auszuschließen. Persönliche Auslegungen in dieser Form haben weder in Stellungnahmen noch in ärztlichen / psychologischen Gutachten etwas zu suchen.
Veröffentlichung der Stellungnahme erfolgte mit Zustimmung des Leistungsberechtigten.