Niemänd is illegaal

Mangelnde Kommunikation zwischen Arbeitsagentur und Jobcenter, lückenhafte Lebensläufe, mangelhafte Beratung: Der Rechnungshof wirft den Jobcentern eine ungenügende Betreuung Geflüchteter in den zentralen Anlaufstellen vor.

In einem 60-seitigen Prüfbericht kritisieren die Prüfer die Betreuung von Geflüchteten durch die Jobcenter. Dabei prüfte der Rechnungshof insgesamt 162 Fälle in vier Jobcentern und deren zentralen Anlaufstellen – sog. „Integration Points“. Die Jobcenter entschieden autonom, ob sie sich an zentralen Anlaufstellen beteiligten. Die Bundesagentur für Arbeit gab hier keine Vorgaben, um örtliche Ausgestaltungsspielräume zu nutzen.

Fehlende Kommunikation zwischen Arbeitsagenturen und Jobcenter

Das Sozialgesetzbuch II gibt vor, dass Sozialdaten zwischen den Arbeitsagenturen, Jobcentern und kommunale Jobcenter gegenseitig übermittelt werden können. Das setzt voraus, dass von den Leistungsberechtigten die Schul-, Berufs- und Sprachkenntnisse erfasst werden. Die Jobcenter und die Arbeitsagenturen verwenden dafür das interne Programm „VerBIS“. Der Bericht kritisiert, dass die Jobcenter die bereits stattgefundenen eingeleiteten Vermittlungs- und Integrationsbemühungen durch die Arbeitsagenturen nicht berücksichtigt haben. Für die Prüfer ist es unverständlich, dass die Vorteile einer gemeinsamen IT-Fachanwendung in vielen Fällen nicht genutzt wurden. Sie hätten „damit die Möglichkeiten, Potentiale und Synergieeffekte nicht aufgegriffen. Dadurch unterbrachen und verzögerten sie möglicherweise auch die Integration dieser Leistungsberechtigten“, heißt es in dem Bericht.

In 61 der 162 geprüften Fälle erfassten die Jobcenter die Lebensläufe der Geflüchteten nur unvollständig oder widersprüchlich. So begannen in fast einem Drittel deren Lebensläufe erst mit der Einreise nach Deutschland. Demnach wurden bei einem Leistungsberechtigten, der vier Jahre als „Anlagemechaniker Sicherheitsmitarbeiter“ arbeitete und der Besuch einer Mittelschule nicht im Lebenslauf erfasst. Die Prüfer empfehlen der Bundesagentur für Arbeit und deren Regionaldirektionen, „dass die vorhandenen Hilfsmittel und die geltende Weisung regelmäßig in das Bewusstsein der Integrationsfachkräfte gerufen werde“. Starke Kritik übt hierbei der Rechnungshof die mangelnde Kooperation und das Vorenthalten von Informationen durch die Bundesagentur für Arbeit. Dieses verstoße gegen die gesetzliche Auskunftspflicht.

Sprachkenntnisse nur zur Hälfte erfasst

Die bereits vorliegenden deutschen Sprachkenntnisse wurden nur zur Hälfte erfasst. Der Rechnungshof stellte fest, dass die Leistungsberechtigten in 86 der 162 geprüften Fälle über ausländische Bildungs- oder Berufsabschlüsse verfügten. Hier versäumten die Jobcenter in über der Hälfte dieser Fälle die Aufklärung zur Anerkennung der ausländischen Qualifikationen. Wer keine ausreichenden Sprachkenntnisse hat, kann an einem Integrationskurs teilnehmen. Die Jobcenter müssen darauf hinwirken, dass die Teilnahme an einem Integrationskurs stattfindet, wenn nicht direkt in eine Arbeit oder Ausbildung vermittelt werden kann. In Ausnahmefällen sogar auch dann, wenn Geflüchtete in Teilzeit arbeiten. Auch, wenn Sprachkenntnisse für eine Tätigkeit wichtig sind, gehen die Prüfer vom sogenannten Vermittlungsvorrang aus, der eine Erwerbstätigkeit vor einem Sprachkurs setzt. Damit soll die wirtschaftliche Hilfebedürftigkeit verringert werden. Sie kritisieren, dass die Jobcenter bei jedem dritten keine Vermittlungsvorschläge unterbreitet haben. Hier verfügten die Geflüchteten zumindest über geringfügige Kenntnisse der deutschen Sprache. „In fast 90 Prozent dieser Fälle veröffentlichten die Jobcenter keine Stellengesuche der Leistungsberechtigten“, ergänzt der Bericht. „Damit war dieser Personenkreis vom Arbeitsmarkt nahezu ausgeschlossen. Eine Integration wurde dadurch unnötig erschwert.“ Ein Jobcenter sah sogar in der Veröffentlichung von Stellengesuchen kein allgemein geeignetes Mittel zur Steigerung der Integration.

In der Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit heißt es: „dass die spezifische Situation, insbesondere die hohe Zahl an Zugängen in kurzer Zeit und der damit verbundene sehr enge zeitliche Rahmen, offenkundig dazu geführt haben, dass Mängel in der Umsetzung der zentralen Anlaufstellen aufgetreten sind.“ Grundsätzlich halten sie die zentralen Anlaufstellen jedoch für geeignet, um vor Ort angemessen zu reagieren.

Hintergrund:

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entschied von 2015 bis April 2017 über etwa 1,3 Millionen Asylanträge. Während des Asylverfahrens haben Asylbewerber Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Während dieser Zeit liegt die Zuständigkeit für die Beratung, Vermittlung und Förderung bei den Agenturen für Arbeit (SGB III). Mit der Anerkennung ihres Asylgesuches geht die Zuständigkeit für die Beratung, Vermittlung und Förderung auf die Jobcenter über. Damit gilt der Grundsatz des „Forderns und Förderns“ nach dem SGB II (Hartz IV) auch für die Geflüchteten.