Im Dezember 1992 wurde der 17. Oktober von den Vereinten Nationen zum „Internationalen Tag für die Beseitigung der Armut“ erklärt.

Kommentar

Armut ist international.

Was hat Afrika mit unserer Armut zu tun? Bis heute leiden die Menschen in Afrika südlich der Sahara noch immer am stärksten unter Armut. Die weltweite Armutsgrenze liegt bei weniger als 1,90 US-Dollar. Vor rund 40 Jahren lebten knapp über 42 Prozent der Weltbevölkerung in extremer Armut. In 2018 schätzte die Weltbank 8,6 Prozent Betroffene. Eurostat verzeichnet für Deutschland in 2018 eine Quote von knapp 20 Prozent. Damit liegt Deutschland knapp unter der Europäischen Union mit 21,7 Prozent. Wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat, gilt als arm.

Armut hat viele Gesichter. 

Sozialleistungen wie Hartz IV oder die Grundsicherung gelten als Einkommensarmut. Dieses gilt gleichermaßen auch für Beschäftigte im Niedriglohnsektor. Das führt zur Einschränkungen ihrer Lebensbedingungen. Entweder können Rechnungen nicht mehr bezahlt werden oder die Wohnung bleibt kalt, weil das Geld für die Heizung fehlt. Kinder werden ausgegrenzt. Das Geld für Geburtsgeschenke bei Einladungen gibt es nicht. 

Armut ist oft weiblich. 

Frauen sind von Armut stärker betroffen als Männer. Familienzeit verdrängt Frauen aus dem regulären Arbeitsmarkt. Oftmals bleiben dann nach Ende der Erziehungszeit nur noch prekäre Jobs übrig. Bis heute hat sich das Recht auf eine eigenständige Existenzsicherung  für Frauen in Deutschland nicht durchgesetzt. Das alte Rollenverhältnis des alleinverdienenden Mannes macht Frauen zu Anhängsel von Männern. Die Angst und oftmals die vorherrschenden Vorurteile der Arbeitgeber*innen bei Frauen mit Kindern, verhindern so den Einstieg in eine gute Arbeit. Dieses verstärkt sich noch mehr bei Alleinerziehenden. Obwohl die Anzahl der erwerbslosen Alleinerziehenden gesunken ist, waren trotzdem 2018 mehr als ein Drittel auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen. Mehr als die Hälfte hatten lediglich nur eine Teilzeitstelle oder einen Mini-Job. Über 90 Prozent der erwerbslosen Alleinerziehenden sind weiblich. Das ergab eine Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Viele Frauen erhalten kein Arbeitslosengeld II (Hartz IV), weil sie in einer Bedarfsgemeinschaft leben, wo ihr Partner zu viel verdient. Und sei es nur einen Euro. 

Armut durch Sorgearbeit.

Sorgearbeit bzw. Carearbeit führen in die Altersarmut. Noch immer ist es so, dass die Frauen weitaus mehr Sorgearbeit leisten als (ihre) Männer. Da diese Sorgearbeit zumeist umsonst geleistet wird, fehlen Rentenbeiträge für die spätere Rente. Somit führen die Pflege von Angehörigen oder die Erziehungszeiten unweigerlich in die Armutsfalle. 

Armut hat Kindergesichter. 

Noch immer ist eine gute Bildung vom Geldbeutel und sozioökonomischen Hintergrund der Eltern abhängig. Arme oder armutsgefährdete Kinder nehmen weniger an Bildungsangeboten teil. Sie besuchen weniger eine höhere Schule oder eine Universität. Freizeitaktivitäten, sozio-kulturelle Teilhabe kosten Geld. Das ist nicht oder kaum ausreichend vorhanden. 

Armut ist divers. 

Ein Migrationshintergrund, körperliche Einschränkungen, Wohnungslosigkeit, chronische Erkrankungen oder mangelnde Schulbildungen sind Garanten für Diskriminierungen oder schlechteren Chancen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt.

Jede siebte Person war 2018 in Lüneburg von Armut bedroht. Der Gang zur Tafel für Rentner*innen, prekär Beschäftigten, Migrant*innen und Sozialleistungsbezieher*innen ist inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden. Lüneburg hat inzwischen eine eigene Kindertafel.

Zu kritisieren ist die mangelnde Bereitschaft unserer Regierung noch deutlicher gegen Armut vorzugehen. Neue wortreiche Gesetzesschöpfungen, wie das „Starke-Familien-Gesetz“ sind ein Framing, was die aktuelle Situation verschleiert. Unverzüglich muss ein sofortiges Maßnahmenpaket gegen die Armut geschnürt werden. Eine existenzsichernde Kindergrundsicherung wäre der erste Schritt. Sozialleistungen müssen von derzeit 426 Euro auf 570 Euro für eine alleinstehende Person angehoben werden. Die jährliche Mindestlohnerhöhung um eine halbe Eiskugel ist eine Farce. Eine Rente oberhalb der Grundsicherung kann derzeit nur mit einem Mindestlohn von mindestens 13 Euro die Stunde vermieden werden. 

Hintergrundinformationen 

Im Dezember 1992 wurde der 17. Oktober von den Vereinten Nationen zum „Internationalen Tag für die Beseitigung der Armut“ erklärt. Es begann in Paris vor bereits 32 Jahren. Damals trafen sich in Paris mehr als einhunderttausend Menschen, die für Freiheit und die Achtung der Menschenrechte demonstrierten und eine Gedenktafel von Père Joseph aufstellten:

„Wo immer Menschen dazu verurteilt sind, im Elend zu leben, werden die Menschenrechte verletzt. Sich mit vereinten Kräften für ihre Achtung einzusetzen, ist heilige Pflicht.“

Trocadéro: Es war der Ort, an dem 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen unterzeichnet wurde. 

Im September 2015 tagte die UN-Generalsversammlung in New York und verabschiedete den Weltzukunftsvertrag „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung mit 17 Zielen“. Die Weltgemeinschaft verpflichtet sich darin, drängende Herausforderungen für die Zukunft unseres Planeten gemeinsam anzugehen. Dabei steht an erster Stelle die extreme Armut in allen Formen zu beseitigen.

Das Ziel ist bis heute gleich geblieben: Es soll alle Menschen noch einmal daran erinnern, das die Beseitigung der Armut zu den wichtigsten Zielen der Menschen gehört.