Eine Computertastur mit einer blauen Taste auf der drei Männchen stehen und darunter steht Inklusion.

Die Aktion Mensch und das Handelsblatt Research Institute (HRI) veröffentlichten an diesem Freitag das Inklusionsbarometer „Arbeit“. Es zeigt die Entwicklung von Menschen mit Schwerbehinderung am ersten Arbeitsmarkt in Deutschland im Vergleich einzelner Bundesländer an. 

So meldete die dpa-AFX heute:

„Auch Schwerbehinderte profitieren von der seit Jahren sinkenden Arbeitslosigkeit in Deutschland. Doch haben sie immer noch viel größere Probleme, eine Stelle zu finden als Menschen ohne Behinderung.“ 

Klingt erst mal gut. Es ist positiv, dass Menschen mit Behinderung ebenfalls von der sinkenden Arbeitslosigkeit profitieren. Unberücksichtigt lasse ich in diesem Kontext die herausgerechneten Erwerbslosen, die nicht als offiziell arbeitslos gelten, sondern nur als arbeitssuchend und somit nicht in der medialen Arbeitslosenstatistik auftauchen. Aus arbeitslos wird arbeitssuchend, wenn eine Trainingsmaßnahme besucht wird, eine Krankmeldung vorliegt, älter als 58 Jahre ist, sich in der dreijährigen Erziehungszeit befindet oder auch Angehörige pflegt. Die Arbeitslosenquote der Schwerbehinderten sank im vergangenen Jahr von 11,7 Prozent auf 11,2 Prozent. Damit war sie aber noch immer doppelt so hoch wie die Arbeitslosenquote insgesamt. Die niedrigste Arbeitslosenquote gibt es in Baden-Württemberg mit 7,7 Prozent, gefolgt von Bayern mit 8,6 Prozent. Auf den hinteren Plätzen liegen Niedersachsen (11,5 Prozent), Nordrhein-Westfalen (12,7 Prozent) und Ostdeutschland (13,2 Prozent), schreiben die Autoren.

In der Studie werden „die Ergebnisse der Bundesländer Baden- Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen sowie der Region Ostdeutschland (Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) miteinander verglichen. Damit werden über 85 Prozent der deutschen Bevölkerung abgedeckt.“ Mit einem positiven Wert von 112,8 (Vorjahr 111,9) steht die Region Ostdeutschland an der Spitze. Dahinter folgen Bayern (110,1), Nordrhein-Westfalen (109,3) und Baden-Württemberg mit 108,7. Das Schlusslicht bildet Niedersachsen mit einem Wert von 104,9.

Bundesweit suchen Menschen mit einer Behinderung länger nach einer Tätigkeit als nicht-behinderte Menschen. Im Schnitt benötigen schwerbehinderte Erwerbslose durchschnittlich 395 Tage, bis sie eine Tätigkeit gefunden haben. Das sind 100 Tage mehr als Nichtbehinderte. Um knapp zehn Prozent ist die Quote (43,4 Prozent) der Langzeiterwerbslosen höher als bei Erwerbslosen ohne Behinderung (34,8 Prozent). Hier zeigen sich regionale Unterschiede: In Ostdeutschland suchten Schwerbehinderte durchschnittlich 351 Tage, Menschen ohne Behinderung 266 Tage. Die Autoren sehen hier einen großen Handlungsbedarf, die Arbeitsuchenden zu unterstützen und mögliche Vorurteile seitens der Arbeitgeber abzubauen. 

Jede Kündigung eines schwerbehinderten Menschen muss dem Integrationsamt vorgelegt werden. Die Analyse der Studie zeigt auf, dass die Anträge auf Kündigung in allen sechs Regionen im vergangenen Jahr gesunken sind. 

In Niedersachsen leben rund 1,4 Millionen Menschen mit einer Behinderung. Davon sind 840 000 als schwerbehindert eingestuft (Grad der Behinderung ab 50). In 2017 hat das niedersächsische Sozialministerium 147 Aktionspläne mit 12 Handlungsfeldern ins Leben gerufen, die zum Ziel haben, die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu verbessern.

Private und öffentliche Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich monatlich mindestens 20 MitarbeiterInnen sind verpflichtet mindestens fünf Prozent der Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten oder Gleichgestellten (ab Grad der Behinderung von 30) zu besetzen. Erfüllen sie das nicht, ist eine Ausgleichsabgabe fällig. Diese ist, je nach Erfüllung der Beschäftigungspflicht, gestaffelt und beginnt bei 125 Euro, wenn die Quote der Schwerbehinderten unter fünf Prozent liegt. Bei unter drei Prozent sind es 220 Euro und bei unter zwei Prozent werden 320 Euro monatlich fällig. Diese Gelder werden für die Förderung von Schwerbehinderten oder ihnen Gleichgestellte wieder zur Förderung der Teilhabe Schwerbehinderter im Arbeitsleben eingesetzt.

Das Inklusionsbarometer „Arbeit“ deckt jährlich auf, wo es klemmt. Es ist erfreulich, dass die Arbeitslosenquote Schwerbehinderter gesunken ist. Trotzdem übersteigt sie bis heute die allgemeine Arbeitslosenquote um mehr als das Doppelte. Es ist bekannt, dass Menschen mit Behinderung zumeist sehr gut qualifiziert sind. Nur gibt man ihnen kaum eine Chance ihre Kenntnisse und Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Auch gibt es keine Statistik darüber, dass Menschen mit Behinderung öfters krank sind und ist ein häufiges Vorurteil der Arbeitgeber. Viel lieber zahlen, gerade die privaten Arbeitgeber, die Ausgleichsabgabe als einen Arbeitsplatz mit einem Schwerbehinderten zu besetzen. Da die Höhe der Ausgleichsabgabe eher einer Portokasse entspricht, muss der Hebel hier angesetzt werden. Diese muss um ein Vielfaches steigen, damit es weh tut. Der Sozialverband VdK Deutschland fordert 750 Euro pro nicht besetztem Pflichtplatz.